Die Sylter Reusenfischer – Ins Netz gegangen
Die Masche hat sich seit vielen Jahren bewährt: Hundertfach verknüpft, lässt sie dem Fang kein Schlupfloch. Alte Sylter wissen noch von seligen Zeiten zu berichten, als die Geflechte prall gefüllt waren und sich so viele Aale, Schollen und Hornhechte zwischen den Maschen wanden, dass die Fischer Mühe hatten, ihren Fang nach Hause zu tragen.
Doch das ist längst Vergangenheit. Vor 30 Jahren, schätzt Heimfried Glashoff, waren es wohl noch so an die hundert Hobbyfischer, die am Sylter Watt ihre Reusen aufstellten. Heute sind es gerade noch zwanzig. Und auch die Ausbeute ist mager geworden. Nicht selten sind die Tage, an denen Glashoff als „Schneider“ nach Hause geht.
Und doch zieht das Wattenmeer den 80-Jährigen immer wieder in seinen Bann. Schon als Kind hat er mit seinem Vater Reusen gestellt und noch immer ist die Spannung geblieben, wenn er Tag für Tag bei Ebbe hinaus ins Keitumer Watt stapft. Denn man weiß ja nie. Vor einigen Jahren zum Beispiel ging ihm ein zehn Pfund schwerer Wolfsbarsch ins Netz – „mein kapitalster Fang“. 2012 waren es sechs Meeräschen, die die Ausbeute krönten.
Schwer und trüb lastet der Himmel an diesem Tag über der grauen Wattlandschaft. Ein paar Möwen und Seeschwalben trippeln über den Schlick und beäugen die beiden Männer, die sich schlurfend ihren Weg bahnen. Nach bald 200 Metern haben die Männer ihre Reusen erreicht. Das Prinzip ist ein einfaches: Die stabilen, fünf Meter langen Nylongeflechte, mit Holzpflöcken im Wattboden verankert, weisen trichterförmige Öffnungen auf. Bei ablaufendem Wasser gehen die Fische so ins Netz.
Dieter Ingwersen hat es im Gegensatz zu seinem Fischerkollegen in erster Linie auf Krabben abgesehen. Mit seiner Neoprenhose, die mit den Gummistiefeln wasserdicht verschweißt ist, ist er behutsam in den Priel gestiegen und leert nun die erste seiner vier Reusen. Womöglich werden jetzt jede Menge Krabben zum Vorschein kommen, vielleicht aber auch nur ein paar ordinäre Krebse. Oder etwas ganz anderes. So wie damals, als sich eine Flaschenpost zwischen den Maschen verfing, „aber die kam nur von Sylt“.
Tatsächlich, es regt sich was: 150 Garnelen mögen es sein, die da zappeln, ihre Körper so unscheinbar grau wie das Watt, und Dieter Ingwersen freut sich bereits auf die selbst belegten Krabbenbrötchen zum Abendbrot. Inzwischen hat ein paar Meter weiter auch Heimfried Glashoff seine Reusen geleert. So recht zufrieden ist er nicht. Mit Recht: Nur eine schöne Scholle tritt im Eimer mit ihm den Heimweg an. Daneben: Zwei Schollen im zarten Kindesalter, eine kleine Aalquappe und elf Krebse.
Früher, als üppige Fänge noch die Regel waren, da ist Heimfried Glashoff auch nachts bei Ebbe mit der Taschenlampe raus und am Deichfuß wurde ein Strahler postiert, damit er den Rückweg nicht verfehlte. Diese Mühen macht er sich heute nicht mehr, doch auch wenn die Zeiten karg geworden sind, bringt Glashoff seine Reusen auch in diesem Jahr in guter Tradition wieder aus, genauso wie sein Nebenmann: „Ich liebe die Natur“, sagt Dieter Ingwersen, der so oft wie möglich draußen ist: „Lieber lauf’ ich doch durchs Watt als irgendwo in der Kneipe rum zu sitzen.“ (fd)
(Fotos: Deppe) Quelle: 12. Ausgabe der »SYLT en vogue«