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Sylt Kampener Vogelkoje – Geschichte und Bedeutung

In Schönheit sterben

Bals kampener vogelkoje 1 - Kampener Vogelkoje

Die Geschichte und Bedeutung der Kampener Vogelkoje erzählt viel über das karge Leben auf der Insel vor gut 250 Jahren. Wer die Vogelkoje besucht, betritt eine andere Welt. Eine, in der sich nicht nur die Geschichten erleben lassen, die sich hier einst ereigneten. Hier erfährt man auch Ruhe und Natur auf sehr intensive Weise. Als Pfeifente die Vo­gelkoje Kampen anzufliegen, ging früher fast immer tödlich aus. Seit Grün­dung der Vogelkoje hat sich Entscheidendes geändert: Es ist nicht mehr so ru­hig wie damals (aber es ist immer noch der Sylter Ruhepol); Fügel werden nicht mehr für den Verzehr gefan­gen, sondern geschont. Die Vogel­koje ist Naturschutzgebiet – und  das seit den 30er Jahren des vergangenen Jahr­hunderts. Die letzte Ente wurde hier 1921 geringelt; so nannte man diese waidgerechte, von Tierschützern als ethisch vertretbar angesehene Tötung – die aber in paradiesischer Schönheit.

Eine Entenfanganlage war also das, was aus einem Versehen heraus Vogelkoje genannt wird: ein Übersetzungsfehler. Das friesische Fügel (Ente) wurde nämlich fälschlich als „Vogel“ (Vögel sind friesisch aber Fügeler) übersetzt; eine Koje (von lat.: cavea) ist ein Ver­schlag, eine Kaue, ein Verhau. Diese hier ist die älteste auf Sylt, gegründet aufgrund einer Konzession des da­mali­gen dänischen Königs. Das war 1767. Doch selbst das, was heute sehr alt aussehen mag, ist neu, jedenfalls ver­gleichs­weise jung, nicht älter als 70, 80 Jahre. Sogar der Wald. Urwüchsig ist es allemal.

Vom Gestern ins Heute, ins Morgen – doch vielleicht auch mal andersherum

Bevor wir durch die Vergangenheit und Gegenwart der Koje schlendern dür­fen, ein Satz vorweg: Wir, das ist die Söl‘ring Foriining. Wir betreuen die Vo­gelkoje. Hartelk welkemen! „Ich schaue in die Zukunft“, sagt Sven Lappoehn, Geschäftsführer der Söl’ring Fori­ining, „und wir wollen modern sein.“ Zwei knappe Sätze, hinter denen sich eine Projek­tidee und ein Konzept verbergen – vieles davon schon umgesetzt – aber auch eine Vi­sion. Die Vision der neuen Vogelkoje Kampen. Neu kann erstaunlicherweise beides sein: alt und modern.
Die Vogelkoje ist kein Entenfang mehr. Aber sie nimmt bis heute Gäste gefangen – für eine wunderbare Idee: die Verbindung von Natur und Kul­tur. Geschichte hilft dabei, die Wirklichkeit zu verstehen. Und Geschichten. Sven Lappoehn  „möchte in der neuen, sprich: modernisierten Vogelkoje Geschichte und Geschichten erzählen“. Denn: „Morgen ist heute noch Zukunft und übermorgen schon Vergangen­heit“, so Lappoehn. „250 Jahre vergehen manchmal wie im Fluge. Fast so alt ist die Vo­gel­koje, pardon, unser Entenfang bereits; Naturschutzgebiet immerhin auch schon 81 Jahre. Wir denken daher zurück und voraus.“ Modern war sie tatsächlich immer. Aber was machte diese Modernität aus, weshalb gab und gibt es auf Sylt eine, später drei Vogelkojen? Weshalb fing man bis zu 25.000 Wilden­ten? Pro Jahr, wohlgemerkt. Und was ist daran Kultur?

Bals kampener vogelkoje 3 - Kampener Vogelkoje
Vogelkoje Eidum Sylt

Robben, Holländer, Walfang…

Das Jahr 1767 bedeutet auf Sylt kurz und knapp: Sylt ist ohne: ohne Hindenburgdamm. Ohne Droschke, ohne Auto. Ohne Luxus. Keine Heizungen, nur Torf. Keine Straßen. Keine Inselbahn. Die Insel und ihre Bewohner sind Wind und Wetter ausgesetzt. Die Wirtschaftszweige – das Wort ist maßlos übertrieben – heißen: Fischfang, Robbenjagd, Torfgewinnung, Seefahrt. Ein Drittel der Sylter fährt jedes Jahr Monate lang zur See – zum Walfang auf niederländischen Seglern. Walfang mit einem Segler, das bedeutet: perma­nente Lebensgefahr in arktischen Gewässern. Nicht jeder kommt zurück. Aber: Die Holländer bringen ein wenig Wohlstand auf die Insel: Delfter Kacheln, mit denen die Wände der Häuser innen belegt werden. Das isoliert gegen Kälte. Und schließ­lich: Vogel­kojen.

Seit dem 16. Jahrhundert in Holland üblich und sehr verbreitet, genehmigt der dänische König Christian VII am 20. Oktober 1767 den ersten Sylter Entenfang. Von da an wer­den jährlich, die Zah­len sind nicht hundertprozentig gesichert, zwischen 8.500 und 25.000 Wildenten ge­fangen. Krick-, Pfeifen-, Stockenten und andere. In trockenen Jah­ren sind es mehr, denn dann finden die Vögel auf ihrem Flug in den Süden weniger Süßwasser und steuern vermehrt die Koje an. Hundert Jahre später, mit Beginn gesicher­ter Volkszählungen, sollten auf Sylt gerade einmal 2.870 Menschen leben. Ein Drittel wie erwähnt lange auf See.

Für den Rest blieben bis zu 25.000 Wildenten. Nicht nur eine Delikatesse, die haltbar gemacht werden kann. Zum Beispiel durch Pökeln, für den Winter. Auch ein Naturprodukt, das scheinbar im Überfluss vorhanden ist – und von dem alles verwendet wird. Die Frauen bekommen die Federn. Heute benötigt man für ein qualitativ hochwertiges Federbett aus Entenhalbdaune bis zu anderthalb Kilogramm Federn/Daunen.
Das Gefieder einer einzigen Ente oder Gans, so leicht es im Kissen wirkt, bringt schon mal 300 Gramm auf die Waage. Manch eine Ente wurde auch auf’s Festland verkauft. Übrigens: Enten unterlagen dem Jagd­recht, schon damals. Der König berechnete für die Konzession zum Betrieb der Vogel­koje zehn Reichstaler. Das reichte beispielsweise einer vierköpfigen Familie ein Jahr lang für’s Wohnen. Je Erfolg- und ertragreicher der Kam­pener Entenfang wurde, desto höher wurde die Konzessionsabgabe.

Süß und gefährlich

Aber wie funktioniert so etwas? Nun, die Technik einer Vogelkoje ist einfach und effi­zient. In Kampen hat der quadratische See die Seitenlänge einer durchschnittlichen Flughafen-Landebahnbreite, sagen wir einmal des Münchener Flughafens, also 60 Meter. (Zum Vergleich: Die Westerländer Lande­bahnen sind nur 45 Meter breit.) Enten starten und schwimmen wie beispielsweise auch Flugboote am liebs­ten gegen den Wind. Deshalb legte man vier Fangkanäle, auch Fangpfeifen genannt, an den Ecken des Sees in die Hauptwind­richtungen, aus denen es auf Sylt weht: West, Nord­west, Nordost und Südwest.

Die Fangkanäle wurden, ähnlich einer Reuse, mit Netzen überzogen, die immer schmaler wurden. Schilfwände an den Seiten verbargen die Kojenwärter, die die Enten fingen. Mit Lockenten, das waren Wildenten, denen die Flügel gestutzt worden waren, ver­führte man zur Landung auf dem (für sie nach anstrengendem Flug über die sal­zige See) verlockenden Süßwas­serteich. Die Lockenten waren an Gerstenfut­ter gewöhnt worden; wurden sie hungrig, schwammen sie in die Fangkanäle, an deren Ende ihr Futter wartete; Wildenten folgten nichtsahnend.
Auf dem Weg zu ihren Ställen pickten die Lockenten bereits rechts und links am Ufer ausgelegte Gerste, eine frühe Form der Anfütterung. Die Wilden­ten wurden gleichzeitig vom Kojenwärter hinter der Schilfwand mehr und mehr in die Enge getrie­ben. Der Lärm ließ sie hochfliegen, doch die Reuse kannte kein Entkommen nach oben. Von hinten drängten Artgenossen nach, von dort trieb aber auch der Kojenwärter. Kurz vor der Schmalstelle der Fangpfeife bo­gen die Lockenten in die Stallungen zu ihrer Gerste ab; das Ende für die Fügel kam am Ende der Reuse; es kam schmerzlos schnell.

Bals kampener vogelkoje 5 - Kampener Vogelkoje
Bals kampener vogelkoje 4 - Kampener Vogelkoje

Kinder, Kultur, Natur und Schutz

Lange ist das her. Jedenfalls wenn man noch ein Kind ist. Aber auch alte Sylter kennen die Kojen als Entenfanganlagen nur noch aus Erzählungen der Väter und Großmütter. Von der Rantumer Vogelkoje ist so gut wie nur noch der See erhalten, in der Heide nahe des Park­platzes „Samoa“. Die Eidum-Vogelkoje, die bis 1933 als Entenfang in Betrieb war, ist Naturschutzzentrum.
Und die Kampener, Naturschutzgebiet seit langem, geht einen den Weg in die Moderne. Genau: Sie ist ihn gegangen und setzt ihn fort. Kinder sollen dabei (auch) in diese Zukunft verstärkt eingebunden werden: „Kindern gilt unsere besondere Aufmerksamkeit, sagt Sven Lappoehn, „und über die Kinder interessieren wir die Eltern für alles, was heute die Vogelkoje so spannend macht.“ Was das ist, das kann sich sehen, hören, anfühlen, riechen und berühren lassen. Unberührt jedenfalls lässt es niemanden.

Die gesamte Logistik bis hin zu längst fälligen WC-Anlagen und ei­nem Haus der Infor­mationen wurden bereits oder werden in den kommenden Jahren modernisiert oder neu gebaut. „Die Koje ist auch gegen nächste Fluten gesichert“ ergänzt Claas-Erik Johannsen, Vorstands­mitglied der Söl’ring Foriining. Der Deich war in den zweieinhalb Jahrhunderten Existenz der Vogelkoje öfters überspült worden; die Koje wurde aber immer wieder aufgebaut, Wald, so erforderlich, wieder angepflanzt.
Die Deichkrone war zuletzt An­fang der 90-er Jahre  des vorigen Jahrhunderts erhöht und besser befestigt worden. „Dieser Deich ist eine private Küstenschutzanlage, kein Landesschutzdeich, so dass der Landes­betrieb für Küstenschutz (LKN) nicht zuständig ist“, so Johannsen weiter. Die Stürme in den letzten zwei Jahrzehnten haben Schäden hinterlassen. Der Deichfuß, also der untere Teil des Deiches, wurde nun erneuert und besser befestigt. So konnte das Naturschutz­gebiet Vogelkoje mit seiner Ausstellung für die Zukunft gut geschützt wer­den.

Viele Mäzene und gute Geister ha­ben im Hintergrund mit Geld geholfen, natürlich sind Spenden wei­terhin nötig und willkommen. Sie ermöglichen den Erhalt und ständige Verbesserung der Präsentation der Vogelkoje, ihre Anpassung an heutige Standards. Eines wird es aber nicht geben: Eine App! Die Modernisierung wurde zwar auch multimedial um­gesetzt. Eines kann aber kein Web, kein Smartphone, keine Geschichte, und schon gar keine App bieten. Das eigene Erleben ersetzen. Den Duft von Heide, Holunder und Pfeifengras, den Klang des Flügelschlags einer Krickente, den Ruf der Klappergrasmücke, des Gelbspötters und des Schilfrohrsängers, das Gefühl feuchten Torfs, fast warmen Schlicks – gesünder als jede Wellnesspackung -, den Anblick einer Smaragdlibelle, die in der Luft zu stehen scheint, oder den Geschmack leckerster Köstlichkeiten im nahen Restaurant „Vogelkoje“.

Hartelk welkemen, Sie sind uns herzlich willkommen. Aber bitte pssst…: Es würde sonst lauter, als Sie es bei uns erwar­ten dürfen: am Ruhepol der Insel.

Öffnungszeiten:
Mai bis September Mo.-Fr. 10-17 Uhr, Sa., So., feiertags 11-17 Uhr
April und Oktober Montag bis Sonntag 11 – 16 Uhr
November bis März geschlossen

Kampener Vogelkoje:
Lister Straße · Kampen
Telefon: +49 4651 871077
Web: www.vogelkoje.de

Bals kampener vogelkoje 7 - Kampener Vogelkoje
historische Koje Sylt
  • Appartement-Vermietung Bals GmbH & Co. KG
    Apenrader Straße 16
    25980 Sylt / OT Westerland

    Montag bis Samstag:
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